So lief der Silvesterlauf
Die Jahresabschlusswanderung des NCO führte nach Aura
auf den Spuren unserer Vorfahren
Gestartet wurde morgens am Rathaus in Richtung Hüttkreuz und die erste Station war gleich nach einem kurzen Anstieg. Nach der Legende soll an der Stelle des Hüttkreuzes einst der „Höttpater“ gelebt haben, ein Einsiedler, vielleicht mit härener Kutte, wallendem Bart und wildem Haupthaar. Kein Wunder, dass sich mancher zunächst erschreckte, wenn er oder sie im Wald plötzlich vor einem dieser Menschen stand, die ein entsagungsvolles Leben führten. So wurde von betroffenen Personen berichtet, ihnen sei auf dem Heimweg durch den Wald der Höttpater auf den Rücken gesprungen. Je stärker vorher der Alkoholgenuss war, desto größer die Fantasie. Tobias Picard, der auch das Pfarrarchiv betreut, konnte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erläutern, dass an der Legende etwas dran sein könnte: Wie ein Eintrag im Kirchenbuch bezeugt, starb 1736 der Eremit Elias Sinner im Alter von 56 Jahren und wurde auf dem Friedhof bestattet.
Auch bei der zweiten Station, dem Limbach-Kreuz, gab es mithilfe der chronologischen Einträge im Kirchenbuch neue Erkenntnisse. Laut „Chroniklesebuch“ wurde Regina Limbach aus Pfaffenhausen an dieser Stelle am 22. Februar 1831 erfroren aufgefunden und auch dort begraben. Wetteraufzeichnungen für Süddeutschland lassen erkennen, dass der Februar 1831 nicht überdurchschnittlich kalt war; es wäre also auch eine andere Todesursache denkbar. Wie aus dem Kirchenbuch hervorgeht, wurde die Verstorbene am 28. Februar entdeckt, war 19½ Jahre alt, und wurde drei Tage später auf dem Friedhof beerdigt. Die digitalisierten Kirchenbücher aller Pfarreien des Bistums sind auf Matricula.de einsehbar.
Die Tour führte weiter zum Forsthaus Zieglerfeld, wo der Geschichtsverein eine kleine Erläuterungstafel aufgestellt hat. Da dieses Haus früher nicht nur Forst-, sondern auch Gasthaus war, bot der freie Platz davor Gelegenheit für eine kleine Rast. Nach 1½ Jahren Bauzeit konnte im Jahre 1891 der erste Forstwart das Gehöft beziehen. Acht Jahre später beantragte die Förstersfrau die Abgabe von Speisen und Getränken an Waldarbeiter und Fuhrleute. Sie erhielt die Genehmigung zur Abgabe von Bier, auch an andere Fremde. Das Wohlwollen der Behörde ging noch weiter: Auf den forstamtlichen Bericht vom 19.06.1899 erlaube ich mir gehorsam zu berichten, dass der Ausschank von Schnaps dahier unbedingt notwendig ist, namentlich für Velocipedisten [Fahrradfahrer] und für erhitzte, ältere und kränkliche Personen welche sich nur ganz kurze Zeit aufhalten und zuvor einen Schluck Schnaps zu sich nehmen, ehe sie ein kaltes Bier trinken. Mit dem Friedensvertrag zwischen Preußen und Bayern 1866 waren Deutelbach und die Ziegelhütte der Gemeinde Aura angegliedert worden und mit dieser bayerisch geblieben. Das Forsthaus Zieglerfeld, an dem ein preußisch-bayerischer Grenzpfahl aufgestellt wurde, kam dazu, musste aber 1928 wieder aus dem Auraer Gemeindeverband ausscheiden und wurde Teil des „Gemeindefreien Gebiets Burgjoß“ auf bayerischer Seite. Noch heute verläuft hier die hessisch-bayerische Grenze.
Nach einem steilen Anstieg erreichte die Wandertruppe den Hanauer Berg, auf dem mannshohe, rund aufgeschichtete Steinmauerreste schon viele Rätsel aufgegeben haben. Vielleicht war es Ulrich III. (ab 1346 Herr von Hanau), der 1357 Besitz im Gericht Burgjoß erwarb, der an dieser Stelle ein Zeichen setzen wollte und den Turm errichten ließ, so wie den „Ulrichstein“ in Frankfurt, mit dem er seine dortigen Ansprüche zum Ausdruck brachte, nachdem er Schultheiß von Frankfurt geworden war. Unterwegs galt an den gut sichtbaren Grenzsteinen aus der Zeit nach 1540 die Aufmerksamkeit der Grenze zwischen Kurmainz („CM“ auf Burgjosser Seite) und der Gerichtszent Obersinn, die vier Herren unterstand („4H“ auf der Auraer Seite).
Weiter ging es zur ehemaligen Ziegelhütte zwischen Deutelbach und Emmerichsthal. Ab etwa 1700 wurden dort Ziegel und Backsteine aus Ton und Lehm gebrannt. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Ort wegen seiner Lage im dicht bewaldeten Grenzgebiet auch beliebter Treffpunkt für Schmuggler und Wilddiebe war. Dort, wo einst ein Brunnen mit einer starken Quelle gespeist wurde, hat das staatliche Forstamt Mittelsinn den Brunnen 1975 wieder so aufgebaut, wie er einmal ausgesehen haben könnte. Nach Schäden durch die Orkane „Vivian“ und „Wiebke“ im Jahre 1990 wurde auf ein Aufforsten verzichtet und mehrere Biotope angelegt. So hat die stillgelegte Gewinnungsfläche wichtige Funktionen für den Artenschutz übernommen.
Kurz vor dem Ortseingang auf der Zielgraden wurde auf eine Gemeinsamkeit zwischen Aura und Pfaffenhausen hingewiesen: Der Name „Uraha“ (Aura) unter Anspielung auf den für den Ortsnamen bestimmenden Bach wird erstmals in einer Wildbannverleihung König Heinrichs IV. für den Abt von Fulda 1059 erwähnt; direkt hinter „Uraha“ folgt die Ersterwähnung von „Phafenhusun“. In Aura setzte sich bis zum 18. Jahrhundert das Hochstift Würzburg durch und führte protestantische Untertanen zum katholischen Glauben zurück, während in Ober- und Mittelsinn die protestantischen Herren von Thüngen und Hutten maßgebend blieben. Nach sechs Stunden und vielen Erkenntnissen über Legenden und Grenzen kehrten die Wanderer beim „Konsum“ ein, wo die inzwischen 60-köpfige Gruppe bestens bewirtet wurde. Mit musikalischer Unterhaltung der „Wirtshausmusikanten“ unter Paul Mongel saß man noch lange zusammen. Alle waren der Meinung, dass dies ein sehr gelungener Tag war. Vorstandsmitglied David Desch bedankte sich bei Klaus Weismantel, der die Strecke zusammengestellt und geführt hatte und Tobias Picard mit einem kräftigen Helau.